pixelplan


Forschungsprojekt PixelPlan

 

PixelPlan ist eine Forschungskooperation der Fachgebiete Architekturtheorie, Baukonstruktion, Bauplanung, Stadtquartiersplanung, Technischer Ausbau und Tragwerksplanung. PixelPlan wird im Rahmen des vom BMBF geförderten Projektes „KIT – Lehre hoch Forschung“ finanziert.

Ausgangspunkt des Forschungsprojektes ist die These, dass die streng typisierten Grundrisse der 1960er und 1970er sich nur noch bedingt mit den veränderten und vielfältigeren Wohn- und Lebensstilen der heutigen Gesellschaft decken, und daher einer Aktualisierung bedürfen.

 

Forschungsfeld

PixelPlan befasst sich mit der bewohnerorientierten, sanften Transformation von kleinen, zusammenhängend geplanten, innerstädtischen Wohnquartieren der 1960er und 1970er Jahre in Berlin. Die Untersuchung konzentriert sich auf die typologische Weiterentwicklung der bestehenden Wohnungstypologien und Grundrisstypen.

 

Diese Wohnquartiere zeichnen sich durch ein großes städtebauliches und sozialräumliches Potenzial aus: kostengünstiges Wohnen in städtischer Lage, stabile Entwicklung, Übergangszonen zu anderen Quartieren, Heterogenität der Bewohnerschaft (Altersgruppe, Herkunft, Gesellschaftsschicht). Der Bestand ist häufig räumlich funktional ausgerichtet (helle Räume, funktionale Raumaufteilung) und bedarf keines maximalen Eingriffs, sondern lediglich einer Optimierung hinsichtlich Energieeffizienz, typologische Raumangebote und Wohnumfeld. In den letzten Jahren konnte man große Fortschritte in der Optimierung der Energieeffizienz sowie in die Verbesserung des Wohnumfelds beobachten. Den bestehenden Grundrissen, die wesentlich zur Wohnqualität beitragen, wurde bisher wenig Beachtung geschenkt.

 

Mit „PixelPlan“ werden die Möglichkeiten erforscht, wie das typologische Raumangebot mit minimalen Mitteln an die vielfältigen gesellschaftlichen Erfordernisse angepasst werden kann.

 

Produktiver, nachhaltiger Umgang mit Architektur- und Stadtgeschichte

Der Bestand aus den 1960er bis 1970er Jahren ist ein Relikt der sozialstaatlichen Stadtentwicklung, mit ihren positiven (Verteilungsgerechtigkeit, sozialräumliche Angleichung, Verbesserung der wohnräumlichen Standards etc.) und ihren negativen (autoritäre Setzung, Rationalisierung, Typisierung, Auftrennung in Funktionen, Auflösung der Stadt, Auflösung des traditionellen, multifunktionalen Hauses) Aspekten. Es gibt wenig fachliche und öffentliche Aufmerksamkeit für die kleinen Wohngebiete, obgleich es sich um eine der tragenden Säulen des Wohnungsbaus handelt, die zum Teil im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung entstanden sind. Sie übernehmen in der Regel bis heute eine wichtige Aufgabe für die Versorgung einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen mit Wohnraum.

 

Zugleich handelt es sich um ein Relikt der Moderne und des Funktionalismus. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Entwicklung der modernen Architektur, die in den 1920er Jahren begann, übernommen, umgedeutet und in den bauindustriellen Produktionsprozess integriert. Viele Innovationen und progressive Ideen aus den 1920ern blieben dabei unbeachtet. Dennoch handelt es sich um den architektonischen Versuch, eine Wohnqualität und einen Standard herzustellen, der zuvor nicht gang und gäbe war (Stichwort Sanitäranlagen, „Licht, Luft und Sonne“) – diese architektonische Errungenschaft wird in diesem Forschungsprojekt als produktive Grundlage für eine zeitgemäße Weiterentwicklung hervorgehoben.

 

Von einer „behutsamen Stadterneuerung“ zu einer „sanften Transformation“

Diese Wohnbauten werden die "Altbauten" der nahen Zukunft sein. Daher können die Erfahrungen und Strategien aus der „behutsamen Stadterneuerung“ der 1980er Jahre, die progressive Ideen für die Sanierung des Altbaubestandes in Kreuzberg in die Realität umsetzte, wieder mit dem Ziel herangezogen werden, sie in einem neuen Kontext und aus einer neuen Bauaufgabe heraus zu überdenken und weiterzuentwickeln. Die Entwicklung der „behutsamen Stadterneuerung“ wurde in den 1990er Jahren gestoppt bzw. in radikal veränderter Weise (ohne das Attribut „behutsam“) von den gleichen Akteuren im Osten der Stadt weitergeführt – eine kritische Begutachtung der Innovationen und Ideen aus der „behutsamen Stadterneuerung“ der 1980er Jahre ist forschungsrelevant und muss auf ihre heutige Anwendbarkeit überprüft werden. Es soll versucht werden, aus den Strategien dieser baugeschichtlichen Erfahrung, konkrete Handlungsoptionen für eine „sanfte Transformation“ abzuleiten. Es geht nicht mehr um Erneuerung – es geht viel allgemeiner um eine Transformation, die im kleinen Maßstab ansetzt. „Sanft“ statt „behutsam“, da es nicht mehr primär darum geht die prekären Umstände und den Widerstand der Bevölkerung vorsichtig mit einzubinden, sondern eher möglichst nahtlos und fast unmerklich Wandel einzuleiten, um der Entstehung von Konflikten entgegenzuwirken.

 

Nach knapp 20 Jahren Planungspriorität für die Sanierung von Altbauquartieren im Osten der Stadt zeichnet sich ab, dass im Westen der Stadt die erneute Betrachtung des Baubestandes dringend notwendig ist. Das langfristig und interdisziplinär angelegte Forschungsprojekt soll Optionen aufzeigen sowie konkrete Maßnahmen austesten, die eine „sanfte“ Transformation dieser Siedlungen schon jetzt bedachtsam einleiten.

 

 

Folgende Thesen werden im Rahmen des Forschungsprojektes untersucht:

 

  1. Die Wohnqualität von Bestandsgebäuden kann durch den Einsatz intelligenter, kostengünstiger Entwurfsstrategien maßgeblich gesteigert, zeitgemäßes Wohnen in alten Gebäuden ermöglicht werden.

  2. Der Einsatz von Minimaleingriffen und kleinmaßstäblichen Taktiken erlaubt eine maximale Anpassungsfähigkeit an Bedarf, Kontext und Finanzierungsmöglichkeiten.

  3. Sanfte Transformation“ als Weiterführung und Aktualisierung der Strategie der „behutsamen Stadterneuerung“ der 1980er Jahre ist ein realisierbares Leitbild für die Stadt Berlin.

 

Ziele des Forschungsprojektes:

 

  1. Herausarbeitung von Qualitäten bestehender Grundrisstypen und Nutzung ihrer Potentiale mit dem Ziel ein erweitertes, zeitgemäßes Repertoire an Wohntypologien zu schaffen.

  2. Machbare und finanzierbare Handlungsoptionen für die Sicherung der Wohnraumversorgung für einkommensschwache Bevölkerungsschichten in innerstädtischen Gebieten entwickeln.

  3. Baukulturelles Erbe bewahren und geschichtliche Kontinuität herstellen.

  4. Resilienz und Nachhaltigkeit durch intelligente Nutzung des Bestandes (technisch, typologisch, konstruktiv).

  5. Voraussetzungen für anpassungsfähige Raumkonstellationen zu schaffen.

 

Anwendungsbasierte Forschung

Das langfristige Ziel von PixelPlan besteht darin, durch ein Modellvorhaben die Forschungsergebnisse zu realisieren. Typologische Strategien und Herangehensweisen, die aus dem Forschungsprozess abgeleitet werden, sollen mit konstruktiven und energetischen Tools real an Wohnraum und Wohnumfeld angewendet werden können.

 

Wohnqualität statt Veredelung und Repräsentation

Wohnen außerhalb der Stadt war jahrzehntelang ein Ideal der oberen und bürgerlichen Schichten. Dies ändert sich seit einigen Jahren: Es gibt die Tendenz Stadtwohnen für eine bürgerliche und gehobene Schicht attraktiv zu machen – ein Zeichen hierfür sind die bisher entstandenen Neubauten in Berlin. Ein großer Anteil des geplanten Wohnungsbaus wird aufgrund der Planungs- und Finanzierungsmodelle mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls darauf hinauslaufen. Bislang fokussiert sich das Interesse der mittleren und oberen Schichten auf die traditionellen „Stadthäuser“, die innerstädtischen Altbauten, oder aber auf Neubauten, da es noch genug Flächen und sanierfähigen Altbaubestand gibt. In anderen Hauptstädten Europas lässt sich u.a. beobachten, wie der Markt sich den ungeliebten, als „hässlich“ propagierten Wohnquartieren aus den 1960er/1970er Jahren entledigt: Durch Abriss soll Raum für Neubau, vorrangig für mittlere und obere Einkommensschichten geschaffen werden.

 

Durch die kulturelle Aufwertung dieses Bestandes in Berlin sowie durch die typologische Verbesserung der Wohnqualität soll eine Grundlage geschaffen werden, die diese Ressource vor eventuellen Abrissmaßnahmen oder ihrer Verwahrlosung bewahrt. Mit der typologischen Schwerpunktsetzung auf die Wohnungsgrundrisse und der Methodik des Minimaleingriffs werden zudem kostengünstige Strategien des Eingriffes getestet, die der potentiellen Verdrängung einkommensschwacher Bewohner entgegenwirken.

 

Die Frage, wie die Verdrängung der mittleren und unteren Bevölkerungsschichten aus der Stadt verhindert werden kann, und auch die Frage, wie das architektonische, urbane Gefälle zwischen den Gesellschaftsschichten ausgeglichen werden kann, lassen minimale, günstige, qualitative Entwurfsmodelle als brauchbare Option in Erscheinung treten. Die innerstädtischen Wohnquartiere, die für eine mittlere und untere Bevölkerungsschicht zugeschnitten sind, werden in diesem Zusammenhang als kostbare urbane Ressourcen wahrgenommen. Sie müssen für diese Bevölkerungsschichten qualitativ verbessert werden, ohne dass unmittelbar ein Verdrängungsmechanismus in Gang gesetzt wird.

 

Minimaleingriff

Dem Forschungsprojekt liegt die Vorstellung zugrunde, dass wirksame Weiterentwicklungen der baulichen Substanz der Stadt und hohes baukulturelles Niveau durch eine Vielzahl kleiner und individueller Eingriffe erreicht werden können. In ihrer Summe können minimale Strategien wirkungsvoll und nachhaltig zu einer langfristigen Entwicklung der Stadt beitragen. Der kleinstmögliche Eingriff erlaubt zudem eine maximale Anpassungsfähigkeit an Bedarf und Kontext – er ermöglicht ebenso das situative Begreifen spezifischer, städtischer Gegebenheiten.

 

Heute sind Nachhaltigkeit, knappe Ressourcen, aber auch Sparprogramme (geringe staatliche Fördermittel) das Regulativ. Gleichzeitig gibt es einen Bedarf an öffentlichen Instrumenten/Mitteln, die auf die hohe Wohnungsnachfrage für einkommensschwache Bevölkerungsschichten reagieren können.

 

Das Konzept des Minimaleingriffs wird als These aufgestellt, mit der auf diese politische, finanzielle und planerische Ausgangslage reagiert werden kann.

 

Sanfte Transformation

Berlin ist seit knapp 300 Jahren die Mieterstadt schlechthin. Noch immer sind hier knapp 85% aller Wohnungen Mietwohnungen. Die typologische Entwicklung des Wohnungsbaus ist hiervon historisch stark geprägt. Auf diese Geschichte einzugehen, gleichzeitig das typologische Repertoire zu erweitern und auf den Bestand der 1960er und 1970er anzuwenden ist Teil dieser Forschungsarbeit. Der soziale Wandel ist hier ein ausschlaggebender Entwicklungsmotor – denn ein neuer Wohnungstypus entsteht immer aus sozialen Zusammenhängen heraus.

 

Dieser Bestand wird als reale Möglichkeit aufgefasst, um zeitgemäße Wohnvorstellungen intelligent umzusetzen. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich geändert und sind mit den nutzungsspezifischen Wohnräumen der 1960er und 1970er oft nicht mehr vereinbar. Die Zusammensetzung der Bevölkerung hat sich geändert, die Familienstrukturen haben sich diversifiziert (Patchwork-Familien, Singles, Senioren-Wohngemeinschaften, Großfamilien), die zeitlichen Dimensionen des Wohnens haben sich gewandelt (die Mieter sind weniger sesshaft und ziehen öfter um, die Nachfrage nach temporären Wohnmöglichkeiten steigt vor allem in Berlin immer weiter). Die Ansprüche sind vielfältiger geworden. Der Bedarf spiegelt sich in der gesamten Bandbreite von 1- bis 4-Zimmer-Wohnungen. Zimmer unter 8qm entsprechen nicht mehr dem heutigen Standard. Über die Transformierbarkeit von Wohnungen, über die Diversifizierung ihrer Grundrisse nachzudenken – z.B. wie kann eine Familienwohnung zu einer Senioren-WG umfunktioniert, eine Single-Wohnung einer Patchwork-Familien-Wohnung angegliedert werden? – ist heute unvermeidlich. Auch das Ermöglichen von Wohnen und Arbeiten, die in historischen Berliner Typologien üblich war, ist vor allem im Kontext der wachsenden Verknüpfung von Arbeiten und Wohnen in der Kreativindustrie und im Dienstleistungsbereich heute durchaus relevant. Die gesellschaftlich umfassende Wiedervereinigung von Wohnen und Arbeiten könnte zu einer neuen Typusentwicklung führen. Multifunktionalität und –sozialität sind hierbei Kernbegriffe. Wohnungen, die tendenziell alles beherbergen können und angepasst werden können.

 

Die Erhöhung der Anpassungsfähigkeit sowie die Auslotung von Spielräumen für individuelle und wandelbare Existenzen – das Forschungsprojekt sucht konkrete Entwurfspraktiken zu erforschen, die diese Aspekte in einem stark typisierten Bestand ermöglichen. Bedarf aber auch die spezifischen Anforderungen an Wohnräume haben sich verändert und dieser Wandel ist noch nicht abgeschlossen.

 

Daher wird die planerische These aufgestellt, dass Voraussetzungen für anpassungsfähige Raumkonstellationen geschaffen werden müssen.

 

Der Frage, ob Nutzungsneutralität überhaupt im Bestand erreicht werden kann, wird im Rahmen der Forschungsarbeit nachgegangen – das konkrete Ziel jedoch läge zunächst darin zu untersuchen, ob eine bedarfsgesteuerte Lockerung der fest definierten Nutzungskonfiguration möglich ist, bzw. in welchen Stufen diese stattfinden kann. Eine Kernfrage lautet daher: Wie lassen sich aus nutzungsspezifischen Räumen schrittweise nutzungsneutralere Raumeinheiten generieren? Mit einer aneignungsoffenen, aus der spezifischen Situation heraus entwickelten Raumvielfalt werden die negativen Aspekte des Bestandes umgedeutet und gleichzeitig bestehende Qualitäten und Besonderheiten durch minimale Eingriffe hervorgehoben werden.

 

Mit dem „Explizitmachen“ von Qualitäten und bestehenden Heterogenitäten werden neue Möglichkeiten des architektonischen Handelns erörtert. Potentiale der Substanz werden erkannt und herausarbeitet.

 

 

Die Mitarbeit als Forschungsstudent/in ist im Rahmen des Projektes möglich und kann mit Seminarpunkten angerechnet werden. Bei Interesse bitte Niloufar Kirn Tajeri kontaktieren.